Mein Weg zur Einwanderungsbehörde

rolf-kohler.de – Mein Leben in Mexiko

Flughafen Frankfurt

Lufthansa Flug 498, mein 30ster Flug nach Mexiko

Am Samstag, den 23. Juli mache ich mich von Frankfurt auf den Weg nach Mexiko-Stadt. Es ist bereits mein 30. Flug in die Hauptstadt, doch diesmal gibt es einen entscheidenden Unterschied: Ich reise nicht mehr als Tourist ein, sondern als Inhaber eines Visums.

Das macht sich schon bei der Einreisekontrolle bemerkbar. Anders als bisher werde ich nicht mehr nach den Details meines Aufenthalts gefragt, wie etwa: „Wohin geht die Reise?“ oder „Wie lange bleiben Sie?“ Stattdessen verläuft der Prozess deutlich unkomplizierter.

Doch mit diesem neuen Status kommen auch Verpflichtungen, die zügig erfüllt werden müssen – und zwar der Gang zur Behörde. Denn ab dem Moment der Einreise bleiben maximal 30 Tage Zeit, um das im Reisepass eingetragene Visum gegen eine Daueraufenthaltskarte (Tarjeta de Residente Temporal) einzutauschen. Überschreitet man diese Frist, kann es schnell kompliziert werden: Man gilt dann als illegal im Land und läuft Gefahr, ausgewiesen zu werden.

Die Uhr tickt – Zeit, sich zügig um die Formalitäten zu kümmern.

Alles ist sehr angespannt, denn ich fliege zu einem Zeitpunkt, an dem es aufgrund Personalmangels zu reichlich Problemen an Deutschlands Flughäfen kommt. Geht mein Flug? Klappt alles mit dem Gepäck? Alles easy, denn ich habe bereits am Freitag den Vorabend-Checkin genutzt und mein Gepäck auf einem der Self-Drop-Off-Automaten abgegeben und kann entspannt die Nacht im Flughafenhotel verbringen.

Juli 2022: Das vorhergesagte Chaos am Frankfurter Flughafen bleibt aus

Es ist Samstag, der 23. Juli 2022, und ich bin nach einem ausgibigen Frühstück im Flughafenhotel bereits um 07:00 Uhr am Flughafen. Meine Flug LH498 soll um 13:30 starten. Entgegen sämtlicher Panikmachen in den Medienkanälen bin ich aber bereits innerhalb 10 Minuten durch die Sicherheitsschleuse und befinde mich bereits 6 Stunden vor Abflug an meinem Gate. Die Zeit vergeht dennoch schnell, denn ich unterhalte mich ausgibig mit einer netten Familie, die auf dem Weg nach Vancouver ist, und die es – ähnlich wie ich, bevorzugt, früh am Gate zu sein.

Es ist 13:00 Uhr. Es gibt etwas Verzögerungen mit dem Boarding, aber dennoch hebt die Maschine  mit einer leichten Verspätung von 45 Minuten ab. Nun ist alles perfekt, denn mein Terminplan für die Behördengänge war  so eng getaktet, dass Flugausfälle erheblichen Aufwand bedeuteten, denn ich hatte für den ganzen Einwanderungsprozess auf Ratschlag eines Freundes bereits 3 Wochen vor Einreise einen Migrationsanwalt beauftragt, der mir sämtliche Papiere vorbereitet und mich auf dem Weg ins Instituto Nacional de Migración begleitet. Und der Termin für diese Sache war bereits auf Montag, den 25. Juli, 07:30 Uhr gelegt. Ich muss erwähnen, dass ich den Einwanderungspsrozess in Mexikostadt vornehme, weil der empfohlene Anwalt auf dieses Migrationsbüro im Stadtteil Polanco spezialisert ist und die Migrationsbüros nicht in allen Bundesstaaten gleich arbeiten.

Noch 2 Stunden bis zur Landung. Alles gut, denke ich. Nein, doch nicht, denn plötzlich schwenkt die Boeing 747-8 der Lufthansa eine Rechtskurve ein und geht in den Sinkflug. Ein Flugbegleiter informiert uns, dass es wohl in der Hauptstadt erhebliche Probleme mit Unwettern gibt und ähnliche Situationen in nahegelegenen mexikanischen Ausweichflughäfen herrschen. Somit machen wir also einen Zwischenstopp in Houston, Texas. Alles halb so wild, denn nach dem Betanken der Maschine geht es auch nach rund 1 Stunde wieder weiter und wir landen mit rund 2 Stunden Verspätung in Mexico-City.

Ankunft in Mexikocity

Flughafen Mexikostadt: Blick auf Popocatépetl

Aeropuerto Internacional de la Ciudad de México: Blick auf Itztaccihúatl und Popocatépetl

Bei der Passkontrolle erhalte ich sofort die passenden Stempel in meinem Reisepass sowie auf dem Formato Migratorio Multiple. Der Eintrag auf dem Formular lautet „OTRO“ und „30 días“, was korrekt ist. Ich hatte mich zuvor informiert und den Hinweis erhalten, dass ich besonders auf diese beiden Einträge achten soll, da es sonst bei der späteren Beantragung der Daueraufenthaltskarte zu erheblichen Komplikationen kommen könnte.

Nach der Einreise und dem Aufsammeln meines Koffers mache ich mich direkt auf den Weg ins „Camino Real“-Hotel, das sich gegenüber vom Flughafen befindet. Da mein Termin am Montagmorgen ansteht, macht es keinen Sinn, bereits zu meinem Haus in Puebla zu fahren, das etwa zwei Stunden entfernt ist. Es ist mittlerweile Mitternacht, und aufgrund des Jetlags habe ich große Schwierigkeiten, Schlaf zu finden.

Am nächsten Tag mache ich mich gegen Nachmittag auf den Weg in den Stadtteil Polanco. Dort hatte ich über AirBNB eine Wohnung direkt gegenüber des Migrationsinstituts gebucht, um sicherzustellen, dass ich am nächsten Morgen rechtzeitig vor Ort bin. Ich wollte mich nicht darauf verlassen, dass ich mit dem Taxi vom Flughafen aus pünktlich in der Innenstadt ankomme. Als ich in Polanco unterwegs bin, nutze ich die Gelegenheit, um noch ein wenig zu Fuß durch den Stadtteil zu gehen. Fasziniert bleibe ich vor dem Museo Soumaya stehen, das nicht nur für Fotografen ein interessantes Motiv abgibt.

Auf dem Weg zum Instituto Nacional de Migración

Es ist Montag, der 25. Juli 2022, 5 Uhr morgens. Als leidenschaftlicher Frühaufsteher mache ich mich nach einer kalten Dusche und einem Kaffee rechtzeitig auf den Weg zum gegenüberliegenden Migrationsinstitut. Mein Migrationsanwalt hatte mir bereits um 06:00 Uhr eine WhatsApp geschickt, dass er ebenfalls vor Ort und bereits in der Warteschlange ist, um einen Termin für den heutigen Tag zu organisieren.

Das Problem ist, dass das Online-Reservierungssystem für Termine seit drei Monaten außer Betrieb ist. Daher muss man sich schon lange vor der eigentlichen Öffnung des Instituts (Öffnungszeit: 09:00 Uhr) anstellen, um einen der begrenzten Termine für den Tag zu bekommen. Hier zeigt sich erneut, wie hilfreich es war, einen Migrationsanwalt zu beauftragen. Saul, so heißt mein Anwalt, hatte bereits einen Termin für mich auf 09:30 Uhr organisiert. Mit seiner Unterstützung habe ich die Sicherheit, dass sämtliche Unterlagen vollständig und korrekt ausgefüllt sind. Er hatte sämtliche Dokumente basierend auf meinen übermittelten Angaben vorbereitet. Die Kommunikation über WhatsApp war präzise und sehr gut strukturiert. Ich bin also recht entspannt.

Mein Weg zur Einwanderungsbehörde: Das Museo Soumaya, das in der Nähe des Migrationsinstituts in Polanco liegt.

Mein Weg zur Einwanderungsbehörde: Das Museo Soumaya, das in der Nähe des Migrationsinstituts in Polanco liegt.

Es ist 09:30 Uhr, und langsam wächst die Aufregung in mir. Pünktlich werde ich von einem der Security-Mitarbeiter ins Migrationsgebäude gebeten, und ab diesem Moment bin ich auf mich alleine gestellt, denn Begleitpersonen sind nicht erlaubt, und auch die Nutzung von Mobiltelefonen im Gebäude ist untersagt. Saul gibt mir noch einige Hinweise, wie ich auf bestimmte Fragen antworten soll, dann drückt er mir die Daumen.

Im Gebäude muss ich etwa 30 Minuten warten, bis ich aufgerufen werde, um mich an die Bearbeitungsstelle zu begeben. Ich reiche sämtliche Unterlagen ein, und es dauert einige Minuten, bis ich sehe, wie die Angestellten untereinander über einige Unklarheiten diskutieren. Nach etwa 10 weiteren Minuten erhalte ich dann die Hiobsbotschaft: Die in den Dokumenten eingetragene Adresse meiner Wohnung liegt im Bundesstaat „Estado de México“, und dafür ist nicht das Migrationsinstitut in Polanco zuständig. Stattdessen solle ich meinen Antrag nach Toluca schicken. Toluca liegt 3 Stunden von Mexiko-Stadt entfernt.

BAMM! Ich bin erst einmal erschüttert. Also verlasse ich das Gebäude und bringe diese schlechte Nachricht an meinen Anwalt. Saul ist ebenfalls schockiert, denn so etwas ist ihm noch nie passiert. Was bedeutet das nun? Genau, alles nochmal von vorne: Eine neue Wohnung, diesmal im Bundesstaat D.F., sowie ein neuer Comprobante de Domicilio (Wohnungsnachweis) müssen organisiert werden. Alle Dokumente müssen erneut ausgedruckt werden. Wir sind uns einig, uns am Donnerstag, den 28. Juli, um 07:00 Uhr wieder vor dem Migrationsinstitut zu treffen.

Enttäuscht mache ich mich dann mit dem Bus auf den Weg nach Puebla, wo ich zwei Tage verbringe, bis ich mich am Mittwoch erneut auf den Weg nach Mexiko-Stadt mache. Alles also nochmal.

Zweitversuch: Vamos otra vez!

Es ist Donnerstag, der 29. Juli. Ich bin bereits um 04:00 Uhr wach. Um 05:00 Uhr gehe ich aus Neugier zum gegenüberliegenden Migrationsinstitut. Dort sehe ich schon einige Personen, die vor dem Eingang des Instituts warten. Also stelle ich mich an und unterhalte mich mit den Leuten. Die meisten stammen aus Mittelamerika. Es ergeben sich unterhaltsame Gespräche, und ich werde oft gefragt, ob ich im T-Shirt nicht friere, denn in Mexiko-Stadt ist es nachts ziemlich frisch (derzeit 14 Grad). Für einen Deutschen wie mich, der im Winter eisbaden geht, ist das kein Problem, aber für die meisten Einwohner Lateinamerikas ist es erschreckend kalt.

06:00 Uhr: Saul kommt zum Institut und ist überrascht, dass ich schon in der Reihe stehe. Er amüsiert sich über meine Bemerkung, dass ich Alpträume vom Behördengang hatte. Er übergibt mir die korrigierten Unterlagen. Kurz nach 6:00 Uhr bittet mich die Security wieder ins Gebäude. Dort erhalte ich auch gleich den heutigen Termin, und er ist auf 09:30 Uhr angesetzt. Zeit, also nochmal ins Apartment zu gehen, einen Kaffee zu trinken und mich gedanklich auf den Behördengang vorzubereiten. Um 09:15 Uhr treffe ich mich nochmals mit Saul. Er geht mit mir die wichtigsten Punkte durch. Falls ich gefragt werde, soll ich auf jeden Fall sagen, dass ich in Mexiko wohne.

Valía la pena: Alles hat sich gelohnt

Aufenthaltskarte Residente Temporal

Punkt 09:30 Uhr werde ich ins Institut gelassen. Nach einer Wartezeit von rund einer Stunde werde ich zur Ventanilla gebeten. Eine nette Dame nimmt meine Dokumente entgegen, und nach etwa 10 Minuten Bearbeitungszeit bittet sie mich, die Gebühr für die Bearbeitung in Höhe von rund 4.700 Mexikanischen Pesos (ca. 230 Euro) per Kreditkarte zu bezahlen. An diesem Punkt wusste ich, dass alles in Ordnung war. Eine große Erleichterung stellt sich ein.

Nach weiteren 10 Minuten werde ich gebeten, gegenüber zu warten. Mir wird noch eine CURP ausgestellt. Diese Nummer ist eine der wichtigsten, vergleichbar mit einer Sozialversicherungsnummer, und wird für alle weiteren Behördengänge benötigt – etwa für die Eröffnung von Bankkonten oder den Kauf von Autos.

Nach weiteren 10 Minuten Wartezeit wird mir die CURP übergeben, und ich werde ins 5. Stockwerk gebeten. Dort empfängt mich ein sehr freundlicher Angestellter. Es werden drei biometrische Fotos von mir gemacht, Fingerabdrücke genommen und meine Unterschrift digitalisiert. Der Angestellte fragt mich noch nach meinen Motiven für die Einreise. Ich erzähle ihm, dass ich bereits viele touristische Reisen im Land unternommen habe und nun mehr vom Land kennenlernen möchte, insbesondere um die Sprache zu verbessern. Offenbar gefiel ihm meine Antwort, denn wir unterhalten uns noch einige Minuten fast wie in einem privaten Gespräch.

Alles in allem war es ein sehr angenehmes Gespräch. Im selben Moment wird mir dann die lang ersehnte Aufenthaltskarte überreicht. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ab jetzt bin ich offiziell Einwohner Mexikos. Stolz und guter Laune verlasse ich das Gebäude und treffe nochmals Saul, der auf mich gewartet hat. Wir verabschieden uns, und ich mache mich direkt auf den Weg zurück nach Hause, nach Puebla.